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Lieblingsstücke

Pubertät

  • von Tanja Samson
  • 15 Okt., 2012

Alles wirklich nur eine Phase

Pubertät ist ja bekanntlich, wenn die Eltern schwierig werden und auf der Stirn der Jugendlichen das Schild „Wegen Umbau geschlossen“ prangen müsste. Leider weiß man als Mutter oder Vater nicht so genau, wann die Phase wirklich anfängt, wann sie ihren Höhepunkt erreicht, und leider auch nicht, wann sie wieder aufhört. Allerdings ist letzteres auch ein sehr barmherziger Aspekt der Natur.

Irgendwo am Anfang scheine ich mich mit meinem noch 13-jährigen Sohn zu bewegen. Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Sagte ich bereits, dass Jungs sich fast gar nichts merken können? Jetzt greift es auch bei seinen Freunden um sich. Neulich steht einer dieser Spezies auf Besuch in der Tür und grinst mich freundlich an. Und wo einer auftaucht, folgen manchmal auch ganz viele und dann verwandelt sich unser Flur in Windeseile in eine einzige Ablagehalde aus Taschen, Schuhen, Mützen und Co. Ich dachte mir, es wäre eine gute Gelegenheit, mit dem Chaos schon zu Beginn kurzen Prozess zu machen. „Louis, gehe doch bitte direkt durch ins Kinderzimmer (darf ich so ein Wort überhaupt noch benutzen?) und hänge Deine Jacke direkt dort auf.“ Folgsam trottet er den Flur entlang. Na also, geht doch, dachte ich. Dann folge ich ihm in gebührendem Abstand und sehe ihn etwas verloren bei mir im Arbeitszimmer stehen. Upps, was tut er denn da? Hat er mir was zu sagen, gar zu beichten? Oh je, da bin ich ja mal gespannt. Ich geselle mich zu ihm und warte. Er lächelt weiter freundlich, wirkt unsicher und, ja, orientierungslos. Dann dämmert es mir: Er hat einen kurzen Aussetzer. Seine Louis-Identität ist quasi innerhalb von Sekunden ins Nichts verpufft.  Behutsam führe ich ihn Stück für Stück zurück in die Realität:  warum er hier ist, wen er besuchen will, was er bis dahin noch mitnehmen will („Louis, Deine Jacke!“) und schon schafft er es ohne weitere Umwege ins Ziel. Gut, zu seiner Verteidigung sei gesagt, wir haben wirklich einen sehr langen Hausflur und vom Eingang bis zum „Jugendzimmer“ (mir kommt auch das Wort noch sehr schwer aufs Papier…)  ist man wirklich so einigen Ablenkungen ausgesetzt.

Sollten Eltern eine Grundausbildung als Eselstreiber absolviert haben, hilft diese ihnen durch die Phase des Umbruchs außerordentlich gut. Ersatzweise tut es auch Gelassenheit, Ruhe und die Bereitschaft zu monotonen Wiederholungen.

Vergesslichkeit fällt natürlich auch im Schulalltag irgendwann auf. Ein untrügliches Zeichen, dass die Pubertät unseres Sohnes tatsächlich diesbezüglich Einzug gehalten hat, ist die deutliche Häufung der Schulmitteilungen. Mitteilungen, die uns Eltern unmissverständlich darauf hinweisen, dass unser Sohn gerne etwas vergisst. Hausaufgaben zum Beispiel. Mehrmals. Jedenfalls so oft, dass es sich für eine Mitteilung lohnt.  Und so staune ich immer wieder über die zwar nicht sehr kreativen aber doch anscheinend ernst gemeinten Ausreden unseres Sohnes, warum er gerade jetzt nun wirklich überhaupt nichts für die Schule tun muss. Denn des liebsten Verbündeten eines notorisch Vergesslichen sind Ausreden. Hier mal die 5 beliebtesten Abwimmel-Phrasen innerhalb einer gemeinen Schulwoche:

·      Das Fach haben wir morgen nicht!

·      Darin bin ich erst letztens ausgefragt worden, das kommt nicht mehr dran!

·      Wir haben keine Hausaufgaben auf!

·      Wir haben morgen nur Nebenfächer! ( hoffentlich liest das niemals ein Lehrer)

·      Wir sollen die Vokabeln nur abschreiben, nicht lernen!

Aber mal ganz ehrlich: Solche Sprüche hat ja schließlich bereits ein Fünftklässler drauf. Für die Mittelstufe muss doch wohl eine Steigerung in Sachen Rafinesse drin sein, oder?

Aber sicher, denn  absolute Vorsicht und Obacht ist bei der durchaus freundlich vorgebrachten Ansage geboten:

·      Ja, das mache ich gleich!

Hier lohnt es sich, das Wörtchen gleich in seinem temporären Bezug einmal genauer zu beleuchten. In Bayern sagt man: „Das haben wir gleich“ und meint damit: „wird sofort erledigt.“
In meiner rheinländischen Heimat bedeutet „Lass und das gleich machen“: „in etwa 10 Minuten, wenn ich diese Aufgabe hier fertig habe, machen wir das dann.“

Aber in der Altersklasse meines Sohnes heißt „Das mache ich gleich“ so viel wie: „ Jetzt habe ich wirklich besseres zu tun als Pflichten zu erledigen und wenn Du mich nicht noch 5 Mal in den nächsten 2 Stunden daran erinnerst, werde ich es vermutlich niemals beginnen.“ Dabei spielt es gar keine Rolle, ob der Auslöser Faulheit oder Berechnung ist, denn innerhalb von Sekunden ist der flüchtige Speicher des Teenagers eh schon wieder gelöscht und sämtliche Arbeitsaufforderungen sind Geschichte und längst vergessen.

Ach, wie schön waren die Weihnachtsruhe und der Schulfrieden! Jetzt kann es frisch gestärkt wieder ins neue Jahr gehen. Wenn doch alles so harmlos wäre wie ein normal pubertierendes Kind. Hand aufs Herz – sind sie nicht überwiegend liebenswert? Es bleibt uns jeden Tag aufs Neue überlassen, unsere Prioritäten zu setzen und den Schulleistungen unserer Kinder den Raum zu geben, den wir ihm zugestehen wollen. Auf meine Frage, was er denn sonst noch so alles anstelle in der Schule und ob ich mit weiteren Mitteilungen zu rechnen hätte, kam die Antwort: „Ach Mama, wir machen manchmal den Schwamm zu nass, sonst eigentlich nichts Schlimmes.“

Na dann auf zum Tafelwischen und „Schwamm drüber“ – und welche Herausforderungen warten auf Sie im neuen Jahr?

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